Erfahrungsberichte aus dem täglichen Leben eines pflegenden Angehörigen

Hannelore, 68 Jahre

„Schon vor einigen Jahren hatte ich das Gefühl, dass sich mein Mann verändert. Er bekam seltsame Unruhezustände und seine Bewegungen wurden steifer und zittrig. Da er partout nicht zum Arzt wollte, musste ich seine Veränderung akzeptieren. Erst als er bei uns auf der Terrasse stolperte und fiel und sein Bein nicht mehr bewegen konnte, konnte ich ihn ins Krankenhaus bringen lassen. Dort war die Diagnose sofort klar: Mein Mann hat Parkinson, sogar relativ fortgeschritten. Dazu nun einen komplizierten Oberschenkelhalsbruch. Die Ärzte sagten, dass die Genesung unter diesen Umständen sehr langwierig sei und ich damit rechnen müsste, dass er ein Pflegefall werden könnte. Und genauso kam es leider auch. Der Bruch heilte nur sehr langsam, mein Mann lag wochenlang im Bett. Trotz Physiotherapie verlor er zusehends Muskelkraft, baute massiv ab. Heute, knapp ein Jahr später, sitzt er im Rollstuhl. Ich helfe ihm beim Waschen, kämme ihm die Haare, sorge dafür, dass er durch seine zittrigen Hände beim Essen nicht ständig kleckert. Er ist wie ein Kind für mich, um das ich mich sorgen muss. So gerne ich das als seine Frau auch mache, es ist nicht einfach, denn ich habe selbst Arthrose und oft Schmerzen. Ich weiß nicht, wie lange ich es körperlich noch schaffe, ihn zum Beispiel ins Bett zu bringen und zu stützen, denn er ist akut sturzgefährdet. Manchmal hilft mein Nachbar uns. Unsere Kinder drängen auf einen ambulanten Pflegedienst. Ich weiß, dass sie Recht haben, schiebe das aber noch vor mir her. Ich habe immer noch den Anspruch, alles selbst hinzubekommen. Auf der anderen Seite bin ich so gebunden. Ich würde so gerne öfter mal meine Schwester besuchen. Vielleicht erkundige ich mich tatsächlich mal nach der Möglichkeit einer Tagespflege.“

Peter, 51 Jahre

„Meine Frau hatte vor einem Jahr einen schweren Schlaganfall. Das war ein Schock, denn es gab zuvor keinerlei Anzeichen dafür. Sie war gesund und lebensfroh. Das änderte sich mit dem Schlaganfall jedoch grundlegend. Sie konnte nicht mehr sprechen und gehen, brauchte nun bei allen möglichen Tätigkeiten Hilfe. Die Ärzte machten mir Mut, denn meine Frau sei noch jung genug, um sich wieder zu erholen. Aber es war auch klar, dass das nicht von heute auf morgen passiert, sondern viel Geduld erfordert. Für mich stand gleich fest: Wenn meine Frau aus der Reha entlassen wird, kommt sie zu mir nach Hause. Ich habe die ganze Familie zusammengetrommelt, unsere erwachsenen Kinder, unsere Geschwister und die Mutter meiner Frau, die mit knapp 70 Jahren noch sehr rüstig ist. Gemeinsam haben wir uns überlegt, wie wir das zusammen hinbekommen. Ich hab dann bei meinem Arbeitgeber Familienpflegezeit beantragt und nur noch drei Tage pro Woche gearbeitet. In der Zeit haben meine Schwiegermutter und die Schwester meiner Frau sich mit der Betreuung abgewechselt. Die ersten Monate waren ziemlich hart. Auf der Arbeit war ich gestresst, weil die Zeit immer zu knapp war. Und zu Hause hatte ich auch selten eine ruhige Minute, weil es so viel zu tun gab. Ich musste ja nun alles machen: Pflege, Haushalt, Einkauf, Garten. Es war ein 24-Stunden-Job, denn meine Frau hatte nachts oft schlimme Albträume, die uns beide nicht schlafen ließen. Ich fühlte mich nach einiger Zeit ganz schön kraftlos. Wenn unsere Kinder nicht am Wochenende mal gesagt hätten: Komm, Papa, schlaf dich aus, wir machen mal, hätte ich es wohl nicht die ganze Zeit gepackt. Auch wenn ich selbst ungern zugegeben habe: Man braucht als pflegender Angehöriger einfach Hilfe und Zuspruch von außen. Das ist so unglaublich wertvoll! Heute blicke ich deshalb mit Respekt auf die Zeit zurück. Aber auch viel Dankbarkeit! Meine Frau hat sich sehr gut entwickelt, kann wieder sprechen und alleine essen. Wir sind auf einem guten Weg.“

Angelika, 44 Jahre

„Als meine Mutter gestorben ist, mussten mein Mann und ich uns entscheiden, ob wir die Verantwortung für meinen Vater übernehmen möchten oder lieber einen Heimplatz für ihn suchen. Er ist körperlich nicht mehr besonders fit und ist in seinem Alltag auf Hilfe angewiesen. Auch eine Demenz zeigt sich schleichend. Da wir in einem Doppelhaus wohnen, mein Vater also direkt nebenan ist, haben wir uns nach reiflicher Überlegung dazu entschieden, die häusliche Pflege zu übernehmen. Ich habe meine Berufstätigkeit von 30 auf 20 Stunden pro Woche reduziert, um mehr Zeit für meinen Vater zu haben. Natürlich reicht das noch nicht, denn mein Vater braucht von morgens bis abends immer wieder Unterstützung und – nach mittlerweile zwei Jahren kann ich auch sagen – der Bedarf wird nicht gerade weniger. Im Gegenteil: Mit fortschreitendem Alter müssen wir immer wieder schauen: Was geht noch? Und was nicht mehr oder zumindest bald nicht mehr? Wir haben deshalb ein relativ ausgeklügeltes System für die Pflege zu Hause. Ein ambulanter Pflegedienst kommt jeden Morgen und übernimmt die Basispflege. Das Mittagessen wird ihm von einem Bring-Service geliefert. Auch Fußpflege und Friseur haben wir so organisiert, dass jemand ins Haus kommt. Eine Nachbarin, die ihn schon von Kindesbeinen an kennt, schaut regelmäßig vorbei. Termine, die erfordern, dass wir „rausgehen“ sind für ihn aufgrund seiner Demenz eine immer stärker werdende Belastung. Trotzdem halten wir daran fest, ihn jeden Abend zum Abendessen zu uns ins Haus zu holen. Ich hoffe, dieses Ritual bleibt noch lange bestehen. Dennoch habe ich natürlich Sorgen, wie es weitergeht. Derzeit kann er sich mit Hilfe eines Rollators noch selbstständig fortbewegen. Auch seine Demenz ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass er sich selbst in Gefahr bringt – aber die Anfänge sind spürbar. Ich weiß deshalb noch nicht, wie es genau weitergeht, werde mich aber demnächst bei einer Pflegeberatung informieren, welche Möglichkeiten für uns bestehen.“