Seit dem 01. Januar 2017 ersetzen fünf Pflegegrade das alte Modell der drei Pflegestufen. Neu ist: Die Pflegegrade stellen den Grad der Selbstständigkeit eines Menschen in den Vordergrund der Bewertung. Durch die ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen Lebensbereiche werden die Bedürfnisse von Menschen mit psychisch-kognitiven Einschränkungen viel stärker berücksichtigt.
Das komplexe Bewertungssystem der neuen Pflegegrade beruht dabei auf den neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen.
Um den passenden Pflegegrad eines Menschen zu ermitteln, sind ein ausführliches Anamnesegespräch, eine Befunderhebung zu Schädigungen und Beeinträchtigungen und die Betrachtung der individuellen Wohn-, Lebens- und Versorgungssituation erforderlich. Hierfür wird vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein Gutachter geschickt.
Dieser vergibt für alle sechs Lebensbereiche Punkte, die – in unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung mit maximal 100 Punkten führen.
Übersicht der Pflegegrade:
Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (12,5 bis unter 27 Punkte)
Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (27 bis unter 47,5 Punkte)
Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (47,5 Punkte bis unter 70 Punkte)
Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (70 Punkte bis unter 90 Punkte)
Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung oder Vorliegen einer besonderen Bedarfskonstellation (90 bis 100 Punkte)
Wie erfolgt die Einteilung der Pflegegerade, wenn bereits eine Pflegestufe besteht?
Wer bereits vor dem 31.12.2016 Leistungen von seiner Pflegekasse bezogen hat, wurde automatisch von der bestehenden Pflegestufe in einen neuen Pflegegrad überführt.
Alle Leistungsempfänger haben hierüber eine Benachrichtigung von ihrer Pflegekasse erhalten. Eine erneute Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder ein neuer Antrag sind deshalb nicht erforderlich.
Gut zu wissen: Niemand muss sich sorgen, durch die neue Einteilung benachteiligt zu sein. Es gelten strenge Übergangsregeln und ein sogenannter Besitzstandsschutz: Dieser garantiert, dass alle Pflegebedürftigen, die bereits Leistungen erhalten haben, weiterhin mindestens genauso viel Unterstützung bekommen wie zuvor. Tatsächlich bekommen die meisten Versicherten durch die neuen Einteilungen sogar mehr Unterstützung. Beim neuen Pflegegrad 1 beispielsweise beginnt die Unterstützung durch die Pflegeversicherung früher als bisher, zum Beispiel bei altersgerechten Umbauten, „Essen auf Rädern“ oder einer Haushaltshilfe.
Die neue Einteilung in die Pflegegrade erfolgt nach zwei Prinzipien:
Menschen mit rein körperlichen Einschränkungen werden dem nächsthöheren Pflegegrad zugeteilt, so kommt zum Beispiel jemand mit Pflegestufe I nun in Pflegegrad 2, Pflegestufe II wird zu Pflegegrad 3 und Pflegestufe III zu Pflegegrad 4.
Menschen, bei denen eine eingeschränkte Alltagskompetenz (zum Beispiel eine Demenz oder andere geistige Beeinträchtigung) festgestellt wurde, kommen in den übernächsten Pflegegrad, also von Pflegestufe I in Pflegegrad 3, von Pflegestufe II in Pflegegrad 4 und von Pflegestufe III in Pflegegrad 5.
Kann man der Einstufung widersprechen?
Sobald Sie von Ihrer Pflegekasse die Benachrichtigung zur Einstufung in einen Pflegegrad erhalten haben, können Sie dagegen Widerspruch einlegen. Dafür haben Sie vier Wochen Zeit. Zunächst reicht ein formloser Widerspruch, um die Frist einzuhalten.
Später müssen Sie Ihren Widerspruch aber begründen und die vermeintlich fehlerhafte Einstufung erklären. Dafür kann es sinnvoll sein, die Akten des bestehenden Gutachtens einzusehen. Fragen Sie diesbezüglich bei Ihrem zuständigen Medizinischen Dienst nach.
Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Ergebnisse nicht mit dem bestehenden Pflegebedarf übereinstimmen, gilt es dies genau zu erklären.
- Welche Defizite und Bedürfnisse wurden nicht beachtet?
- Gibt es einen veränderten Bedarf?
- Fehlen wichtige Informationen?
Falls Sie ein Pflegetagebuch zur Verfügung haben, können Sie Kopien beilegen und Auszüge zitieren, die den tatsächlichen Pflegebedarf gegenüber der Pflegekasse genau dokumentieren.
Die Pflegekasse wird Ihren Widerspruch prüfen und entscheiden, ob ein neues Gutachten erforderlich ist. In diesem Fall wird ein Gutachter des Medizinischen Dienstes eine erneute Prüfung vornehmen.